Zwei Antworten
Was sich vor dem weissen Blatt Papier ereignet, wie ein Stück Musik beginnt
und was die
Voraussetzungen
dafür sind, die ersten Takte einer Partitur zu setzen: darauf gibt es viele
mögliche und zahlreiche formulierte Antworten. In den beiden folgenden Texten
von Felix
Baumann und Rico Gubler haben es die Komponisten allerdings als ergiebiger empfunden,
das Thema von hinten her aufzurollen: Wann und weshalb wird der im Kompositionsprozess
erlösende Moment des Doppelstriches erreicht? Wann kann ein Stück Musik zu seinem
Ende
kommen? Obwohl beide Komponisten über ihr eigenes kompositorisches Denken schreiben,
ging den Formulierungen ein intensiver Dialog voraus: Die gemeinsame Klärung
von Fragen,
die Zuspitzung unterschiedlicher Anschauungen wie auch die verschiedenen Arten,
sich des
Themas anzunehmen oder ihm auszuweichen, finden sich deshalb, ausgehend von
der
zusammen erarbeiteten Themenstellung, in den beiden folgenden Texten gespiegelt.
DAS ERLÖSENDE MOMENT AM DOPPELSTRICH VON RICO GUBLER
Der abschliessenden Doppelstriche sind viele, selten befinden sie sich wirklich am zeitlichen Ende des Stückes, ab und zu lassen Sie sich wie Holzpflöcke in gesunde Erde rammen. Oft gleichen sie jedoch unsicheren Glaubensbekenntnissen, an die man krampfhaft die ganze Ausarbeitung zu glauben verpflichtet ist, um sie danach gnadenlos als erste Retusche zu opfern. Beim Durchgehen verschiedener Stücke ist mir auch die Vielfalt der (hier wirklich das Werk beendender) Schlussstriche aufgefallen. Gibt es Komponisten wie Emiliano Turazzi, dessen Saxophonstück wie zufällig nach beinahe einer Stunde nach einem normalen Taktstrich sein Ende findet, sind es rein grafische Notationen, denen ein abschliessender Doppelstrich ein nicht geringes Mass an Absurdität beimessen würde. Auch eigene Werke, deren Doppelstriche am Ende bewusst fett oder unbewusst eben nicht fett gezogen sind, lassen ziemlich klare Schlüsse auf die Gestaltung der Zeit in und um das Stück herum zu. Oft beobachte ich auch die Arbeitsweise, das Ende eines Werkes zu Beginn des Kompositionsprozesses als klare Gestalt aufzuzeichnen, um es danach, wie als Messskala mit weit ins Innere des Stückes führenden Sensoren, laufend umzuschreiben. Die letzten Takte als Pars pro toto mit der unschätzbaren Fähigkeit, dem Komponisten anzuzeigen, dass bei einer deutlichen Verlangsamung der Veränderungen die Form sich zu festigen beginnt (oder der Schreibende schlichtweg den Überblick verloren hat). Ausgehend von dieser Beobachtung kann ich mein Befinden während des Prozesses als Spannungsfeld zwischen der Abstossung und dem Anziehen vom Doppelstrich als Abschluss der Formfindung beschreiben, und ich muss leider gestehen, dass diese Beobachtung mehr als nur ein Körnchen Wahrheit enthält. Der Doppelstrich, wo er auch immer anzusiedeln ist, würde auch im schönsten Konstrukt (sei es so aussermusikalisch wie es will) nur der letzten Runde beim Langstreckenlauf entsprechen, wäre nicht seine Funktion als Sensor der formalen Stringenz der zu erarbeitenden Grossform. Diese Instrumentalisierung führt in meiner persönlichen Arbeit wiederum zu einem wohlbekannten Vorgehen, dem unentwegten Abschreiben des schon bestehenden Materials, das somit dem Doppelstrich zur Prüfung vorgelegt wird. Für mich persönlich ist sicher auch das erlösende Moment am Doppelstrich, der kurze Augenblick zwischen der vollsten Zufriedenheit mit dem Transport der Musik auf das Notenpapier und dem Einsetzen der Selbstkritik kurze Zeit danach, auch ausschlaggebend für das Bedürfnis, meinen Beruf als (schreibender) Komponist auszuüben. Im Laufe dieses Textes mutiert der abhakende Doppelstrich bzw. Schlussstrich zielstrebig zur (immer wiederkehrenden) letzten Kontrollinstanz. Meine Angewohnheit, die erste Reinschrift, die dann den Interpreten vorgelegt wird, als erste Version zu bezeichnen, verlängert die Abwesenheit des endgültigen Schlussstriches (wie bei den meisten Komponisten) in die Proben und weit über die Ur-, die Zweitaufführung hinaus. Diese Arbeit, die eine «Versionenliste» ohne Ende produziert, weist auf ein klares Bedürfnis hin, die Feinjustierung in der Aufführung (in Bezug auf Artikulation, Tempofluss etc.) mittels eines Mechanismus im eigenen Einflussbereich zu behalten. Die Entscheidung, das Anrennen gegen die Schlussstrichinstanz teilweise dem Interpreten zu übergeben (übergeben zu wollen und zu können), weist auf einen wichtigen Aspekt meiner Musik hin: das Interesse an der Grauzone zwischen dem Einfluss des Komponisten und dem Einwirken des Interpreten auf das erklingende Resultat in der Probe- und Konzertsituation. Im folgenden Abschnitt versuche ich eine Vorgehensweise darzustellen, die dem Interpreten diese «Schlussstrich-Taktik» für seine Arbeit zur Verfügung stellen soll, dem Komponisten aber seine Gestaltungsmöglichkeiten (in jeglicher Hinsicht) nicht entzieht. Ein wichtiger Punkt in der Gestaltung des Musik- und auch des allgemeinen Zeitflusses besteht für mich in der Wahl verschiedener, sich überlagernden Temposchienen, da ich versuche, dem fixierten Gestus wieder eine Individualität durch den Interpreten zurückzugeben, was in Rücksicht auf dessen persönliches Artikulationsverständnis, dem Ansprache- und Klangverhalten seines Instrumentes wie auch in Rücksicht auf die jeweilige Aufführungsatmosphäre (bzw. Konzerträumlichkeit) zu geschehen hat. Um dies zu erreichen strebe ich eine Wechselwirkung zwischen einer sehr flexiblen Tempogestaltung und einem klaren, bis teilweise pedantischen Ausformulieren der verschiedenen Klang- und Spielanweisungen an. Diese Anweisungen formulieren Klänge (quasi «Einklänge»), sind als Durchgangsstadien und meist nicht als komplexe Schichtung verschiedener Vorgänge zu verstehen. Der Interpret soll eine (d.h. die) individuelle Interpretation erarbeiten, die in Hinsicht auf die oben genannten Parameter stimmig ist. In Streif(f)lichter einer Morgenstunde besteht die Zeitorganisation aus zwei sich annähernden Tempobereichen (Viertel = 5476 und 88126), die durch verbale Anweisungen, vor allem aber durch den auszuführenden Notentext genauer definiert sind (Notenbeispiel 1). Weiterführend benutze ich dieses System in offen gefaltet (1999) für Violoncello solo (Notenbeispiel 2). Die drei Temposchienen überlappen sich nun (Viertel = 80132, 6096 und 4072), das heisst, der Interpret erhält die Möglichkeit, ein schnelles Tempo langsamer zu spielen als ein langsames Tempo schnell sein kann, was theoretisch Schwachsinn ist, praktisch aber beinahe Grundlage jeglichen Musizierens ist. Dieses Vorgehen scheint mir eine geeignete Möglichkeit zu sein, sprachliche und musikalische Gesten einzufangen, und dem angenehm beruhigenden und alles umspannenden, aber nivellierenden Grundpulsieren zu entkommen. Dieser kurze Exkurs zeigt aber auch den zu Beginn besprochenen Mechanismus auf, dass das Erlangen von «aufrichtiger» Formulierung eines Gedankens im Vergleich zur menschlichen Sprache einem ganz anderen Gesetz (der Konstruktion) gehorcht. Mein persönliches Interesse liegt auch in der Erforschung des Phänomens, dass die menschliche Sprechartikulation immer etwas «Richtiges» in sehr verschiedener Ausgestaltung hervorbringen kann. Achtung, ich berufe mich hier auf die «Richtigkeit» der Artikulation und des Sprachflusses und nicht auf den Inhalt des Ausgesprochenen; interessant ist nicht, ob der Mensch glaubwürdig wirkt, sondern ob seine Sprechattitüde aufrichtig scheint. Die (im Vergleich zur musikalischen Praxis) nicht sehr zahlreichen Beispiele, in denen man bei einem in seiner Muttersprache sprechenden Menschen den Sprachduktus anzweifelt, sind deshalb für mich von sehr grossem Interesse.
Homepage Rico Gubler: http://www.neuemusik.ch/ricogubler.html
ZUR THEMATIK DES SCHLIESSENS: DAS ZOOMEN VON FELIX BAUMANN Gibt es Kriterien für ein gelungenes Stück? Wie entscheidet sich, wo der Schlussstrich unter eine Musik gesetzt werden kann, was muss sich davor ereignet haben? Welches sind übergeordnete Bedingungen, die ohne allzusehr verallgemeinern zu müssen sich in einem guten und bewegenden Stück auf irgendeine Weise wiederfinden? Ist es überhaupt denkbar, von einem Urbild auszugehen, das sich in den verschiedensten Ausformungen zeigt? Möglicherweise besteht das Gemeinsame in einer wahrnehmungsmässig nachvollziehbaren Konkretisierung, die sich entweder an der Veränderung des musikalischen Materials oder einer veränderten Wahrnehmung der Rezipierenden aufzeigen lässt. Für das Komponieren bedeutet das die Verdichtung eines einmal Erreichten oder Gesetzten, meint ein zunehmendes Konkretisieren eines Ausgangspunktes, eine Fokussierung. Fokussierungen können sich auf alle möglichen Arten ereignen: zuerst auf zeitlicher Ebene beispielsweise in Form einer Tempobeschleunigung. Diese kann auf ein Ziel hinführen, womit sich eine dramatische Qualität ins Spiel bringt. Die Tempobeschleunigung kann aber auch nur für sich selber stehen, d.h. dass während der Beschleunigung die Hörenden einen Prozess mitvollziehen, der als solcher erreicht werden will und damit das Entscheidende leistet. Die Fokussierungsmöglichkeiten ergeben sich aus der Wahl der verwendeten kompositorischen Verfahren, respektive prägen diese erst recht eigentlich aus. Die Verfahren bringen durch das Schaffen eines spezifischen Kontextes Charakteristisches zum Leuchten. Entsprechend sind unzählige Arten der Fokussierung denkbar: Möglichkeiten in den Bereichen von Reduktion, Kombination oder Multiplikation, der gegenseitigen Beleuchtung, des Kontrastes, des Herauswachsens eines Materialkerns aus Vorhergehendem etc. Darüber hinaus gibt es unzählige weitere Fokussierungsmöglichkeiten: auf der inhaltlichen Ebene der Musik, der Gestik, der Bewegung, der Harmonik, der Melodik, der Dynamik, etc. etc. Musik, neuste wie älteste, lebt von solchen Prozessen und bildet nicht zuletzt darin unzählige analog verlaufende Naturerscheinungen und Erfahrungen ab. Ich habe dieses übergeordnete Verfahren «Komponieren mit Vektoren» genannt, da durch eine einmal erreichte oder gesetzte Ausgangsposition ein Energiezentrum geschaffen wird, das wie in einem Überdruck- Unterdruck-Verhältnis quasi seinen energetischen Gegenpol herausfordert. Dieses Arbeiten mit Vektoren hat eine Richtungstendenz in der Musik zur Folge: eine Art Strudel oder Zoomwirkung stellt sich ein. Das Charakteristische des Arbeitens mit Vektoren oder, wie ich es heute nenne, des «Zoomens», funktioniert im Gegensatz zur alten Sonatenhauptsatzform nicht als ein Gefäss, in dem Energien gegenseitig geordnet werden müssen, sondern vielmehr wie ein Lenkungssystem mit allerdings der gleichen Aufgabe. Möglichkeiten der Anordnung dieser Lenkungsarme gibt es unzählige. Der Verlauf muss durchaus nicht linear und kann vieldimensional angesetzt sein. Jedes Stück, jedes Teilstück, jeder Satz, jede Satztechnik, jede übergeordnete Form, ja sogar Werkzyklen etc. können als Abbild des Zoomens ausgebildet und ineinander verschachtelt in diesem (energetischen) Schema gelesen werden. Dazu zwei Beispiele: Der Partiturausschnitt aus nah / hautnah für Sprechchor, Solosopran, - violoncello und Ensemble nach Texten von Sarah Kirsch, Sappho, Michel Serres, Stefan Buri und Hans Magnus Enzensberger (Notenbeispiel 3) veranschaulicht ein Zoomen auf zeitlicher Ebene. Die Dauern der Takte nehmen in einem fünffachen Ansetzen konstant ab (in Sechzehnteln: 9-7-6, 7-6-4, 6-4-3, 4-3-2, 3-2-2 etc.), die schwere Eins zu Taktbeginn tritt damit in den Vordergrund. Dieser Fokussierungsprozess wird im weiteren Verlauf zum Boden einer sich daraus entwickelnden grösser angelegten, gegenläufigen Multiplikation der Dauernlängen. Eine allmähliche Überblendung des Unisono und mit elementaren Lauten klanglich auffällig geführten Sprechchors mit anfänglich zeitlich weit auseinander liegenden punktuellen Ereignissen führt wiederum zu einer Beschleunigung des relativen Zeitempfindens hin zu einer stauenden Generalpause, aus der das angestaute Material (unterschiedliche Dauernlängen, schwer-leicht, elementare Laute, Repetition etc.) neu formiert werden kann für einen nächsten analogen Prozess. In Schwebungen für Violoncello solo entwickelt sich aus einer anfänglich dissonanten Konstellation über feine mikrotonale Abstufungen eine äusserst reine Harmonik, die ihrerseits Ausgangspunkt einer gestisch/rhythmischen Progression wird. Dabei fallen die Verlaufskurven zusehends auseinander, es entspinnt sich ein quasi ellyptischer Tanz, in dem der jeweils gespanntere Aspekt in einen entspannteren zielt und umgekehrt. So ereignet sich die Formbildung aus fortgesetzten Fokussierungen, die Makroform ihrerseits zeichnet ebenfalls durch die Abnahme der Bewegungsintensität eine weitere analoge Verlaufskurve. So bewirken anfänglich harmonische Extremzonen ein fortgesetztes Kräftespiel zwischen Spannung und Entspannung, an dessen Ende eine Ahnung an das Wechselhafte des Anfangs zurückbleibt, gekippt in eine dauerhaftere und intensivierte Dimension. Zum Partiturausschnitt (Notenbeispiel 4): während sich die Einwürfe in ihrer Dauer zusehends verknappen und klanglich in den Vordergrund treten (pizz., gliss., Mehrklang), tritt das Spiel zwischen von Verstimmtheit und reinem Zweiklang ins Zentrum der Musik. Was macht das Zoomen aus? Wodurch charakterisiert es sich? Um fokussieren zu können, bedarf es eines Ausgangs. Das ist so lapidar nicht, wie es klingen mag. Ein Ausgang ist dann erreicht, wenn die Musik zu sprechen beginnt. Sprechen ist hier nicht im Sinne einer Unterhaltung gemeint, sondern im Sinne eines das Gemeinte wirklich Benennenden. Hermann Burger, der eindrückliche Schweizer Schriftsteller, macht auf den Unterschied zwischen den französischen Begriffen «langue» und «parole» aufmerksam: «dann aus der langue eine parole machen, vom unendlichen Angebot dies auswählen, jenes weglassen». Bis der Boden unter den Füssen so fest geworden ist, dass darauf gestanden werden kann an diesen Punkt ist erst zu gelangen. Das Erreichen festen Bodens kann als die einfachste Zoom-Form verstanden werden. Es meint, soviel Gras auf dem Feld geschnitten, getrocknet und noch trocken unter Dach gebracht zu haben, dass der einsetzende Regen dem Heu nicht mehr viel antun kann. Das Futter ist bereit. Hier lauern Gefahren: je sicherer der Zugriff, je bestechender das kompositorische Handwerk, um so grösser die Gefahr, den sicheren Boden vorschnell erreichen zu wollen. Wo das Risiko fehlt, das Wagnis einer stets neuerlichen Konfrontation gerade seitens des komponierenden Subjekts, verblasst die schon einmal gefundene Lösung schnell. Konfrontation heisst, den Ausgang noch nicht wirklich zu kennen, die Lage nicht hundertprozentig abschätzen zu können. Eine Gratwanderung, ob die Zeit noch reicht, ob der sichere Boden auch wirklich trägt, macht die Arbeit halsbrecherischer, wagemutiger, experimenteller und belohnt nicht nur die HörerInnen mit der Erfahrung, den Gipfel selber beklommen zu haben. Es ist darüber hinaus Zeichen eines neuerlichen Formens einer Fokussierung. Schön ist der von der Sonne eingebrannte Schweiss auf dem Gipfel! In einem zweiten Sinn aber meint das Zoomen ein Phänomen, das mit der Wahrnehmung zu tun hat. Ziel ist es, dass während der Dauer oder bis zum Erreichen des trockenen Bodens unter den Füssen sich wahrnehmungsmässig eine Schärfung vollzieht, die mich als HörerIn beteiligt macht, weckt, herausfordert. Also zeichnet die Musik, mindestens für die Dauer eines Abschnitts, eine Richtung, ein Vorher und ein Nachher, eine Verlaufskurve, einen Energieverlauf. Dieser wiederum kann mit einem zweiten kombiniert werden, einem dritten usw. Dabei kann es von Vorteil sein, eine zweite Fokussierung mit einem zweiten Material anzusetzen, es kann von Vorteil sein, das gleiche Material ein zweites Mal zu bemühen. Nicht die Materialwahl ist entscheidend, sondern ob die Energiebilanz der beiden Teile miteinander in ein Verhältnis tritt, zu einem übergeordneten und damit stimmigen Ganzen, sich den Bedingungen der Komposition entsprechenden Gesamtbild verdichtet. Weitere Gefahren lauern nicht zuletzt darin, den Abtastprozess des Ohrs beim Hören der Musik nicht richtig abschätzen zu können. Allzu viele simultan ablaufende oder zumindest übereinander gelegte Abläufe können es verunmöglichen, den einzelnen Prozess wirklich mitzuvollziehen. Damit reduziert sich die Energiezufuhr, die Musik schwächt sich, statt sich zu kräftigen. Ebenso schwächt eine sorglose Setzung nur weniger Prozesse während zu grosser Dauer, weil sich leicht eine Informationsarmut und damit Langeweile einstellt. Entscheidend für die formale Generierung wird somit die unprätentiöse Feststellung, dass ihre Teile sich gegenseitig kräftigen müssen. Offensichtlich erweist sich das Abschätzen solcher Gewichtungen als eine zentrale Aufgabe beim Komponieren. Hier wird klar, dass unendliche Möglichkeiten von Zoom-Erformungen und Grossformen denkbar sind. Es kann erforderlich sein, zehnmal zu konkretisieren, ein ander mal reicht eine einzige Ausformung zur Gewinnung festen Bodens. Weder geht es um das Material, noch um die Quantität der Fokussierungsschritte. Allein durch das Verhältnis zwischen den Bedingungen eines Werks und der Idee des Stücks ergeben sich Möglichkeiten, die in sich eine Richtung tragen, einen Ausgang zu schaffen. Ist der Ausgang erst einmal geschafft, singtŐs, stellt sich eine Transzendenz ein und die Musik beginnt zu klingen. Damit nähern wir uns der Ausgangsfrage. Möglicherweise gibt der betriebene Aufwand in einem Stück, den eben beschriebenen Punkt erreicht zu haben, die Legitimation für den Schlussstrich, vielleicht ist eine neuerliche Klärung (in einem verwandten, anderen Parameter) vonnöten. Je differenzierter das komponierende Subjekt diese Frage zu beurteilen weiss, um so phantasievoller kann die Schlussstrichsetzung sein. Unnötig anzufügen, dass darüber hinaus einer porösen Musik mehr Beachtung zukommt als einer gesättigten, dass offene Formen geneigter machen und Vitalität in ihren Bann zieht, unabhängig davon, ob sie sublimiert als intime Musik erscheint oder sich als kraftvolle Ausgeburt zeigt. Homepage Felix Baumann: http://www.neuemusik.ch/felixbaumann/default.htm