Fragilité et droiture - Le trio Koch-Schütz-Studer explore les forêts vierges de la musique Malgré quinze ans de musique commune, le trio Koch-Schütz-Studer n'a rien perdu de son bouillonnement aux marges du jazz libre, de la musique contemporaine, de la world music et du rock à l'ancienne. Toujours à l'affût de nouvelles sonorités, formes et rythmes, mais en restant en contact avec les styles éprouvés et les tendances du moment, le trio poursuit inlassablement ses recherches musicales. En septembre 2005, sa performance de longue haleine à Zurich a captivé un public plus nombreux de jour en jour. Jamais l'actualité de la «hardcore chamber music» ne semble avoir été plus grande.

 

FRAGIL UND FADENGRAD

von Roland Schönenberger

Koch-Schütz-Studer auf dem Weg ins Offene

Ihre Ruhelosigkeit im Grenzbereich zwischen freiem Jazz, Neuer Musik, Worldmusic und archaischem Rock haben sie auch nach 15 Jahren gemeinsamen Musizierens nicht abgeschüttelt. Permanent experimentierend mit neuen Klängen, Beats und Formen, gleichzeitig in Tuchfühlung mit bekannten Stilen und aktuellen Trends betreibt das Trio Koch-Schütz-Studer in beständiger Unruhe seine recherche musicale. Die Langzeitperformance im September dieses Jahres in Zürich faszinierte ein täglich wachsendes Publikum: Das Idiom «Hardcore Chambermusic» scheint aktueller denn je. Den Konzertbeginn mit der grossen heftigen Geste gibt es, doch meist ist der Anfang zerbrechlich-tastend: Aus einzelnen musikalischen Aktionen kristallisieren sich Klangkonstellationen heraus, die Konturen gewinnen und wieder verlieren, Umformungen durchleben, bis sich der musikalische Fluss kanalisiert, durch Repetition rhythmischer Patterns und melodischer Splitter zu einer prägnanten Gestalt verdichtet, die im Laufe des nun mit unter brechstangenmässigen musikalischen Geschehens unausweichlich wieder der Dekonstruktion ausgesetzt wird.

Diese Grundanlage lässt sich aus den Trioimprovisationen von Hans Koch (Klarinetten, Saxophone, Elektronik), Martin Schütz (Celli, Elektronik) und Fredy Studer (Schlagzeug) nach einigen Besuchen der September-Langzeitperformance bald einmal heraushören. Damit ist aber lediglich gesagt, dass sich die Musiker in einer Art Grossform bewegen, die durch konstruktive und dekonstruktive Momente, anders gesagt: durch die Genese und das Zerfasern musikalischer Gestalten geprägt ist. In der detaillierten Ausführung dieser Grundbewegung setzen Koch-Schütz-Studer eine immer wieder überraschende Vielfalt an Klängen, Rhythmen, Instrumenten, Spielweisen, Spielkombinationen etc. ein, woraus sie bei jedem Durchlauf wieder neue Pfade in ihrer musikalischen Landschaft finden. Der Titel «Hardcore Chambermusic» bezeichnet die Extrema, oszilliert die Musik von Koch-Schütz-Studer doch vor allem zwischen zwei Polen: Einerseits kammermusikalische Momente, in denen sich die drei Musiker als klangsensible Improvisatoren erweisen, die in fein austariertem Zusammenspiel eine äusserst differenzierte Musik entstehen lassen können; am anderen Ende der Skala prägen lautstarke Rock- und Beatpassagen ihre Musik, in denen der Puls zu fliegen beginnt, hochgezüchtetes Musizieren hintangestellt wird ... und es handfest zur Sache geht.

GEBURT EINES IDIOMS

Die Bezeichnung «Hardcore Chambermusic» geht zurück auf den Beginn der neunziger Jahre und verdankt sich eigentlich der rein praktischen Notwendigkeit, Veranstalter über die musikalische Janusköpfigkeit von Koch-Schütz-Studer aufzuklären: «Die Bezeichnung entstand aus der Not, als wir für Konzerte in Amerika unsere speziellen technischen Anforderungen per Fax durchgeben sollten. Wir mussten den Veranstaltern klar machen, dass wir sowohl eine leistungsstarke Verstärkungsanlage als auch eine kammermusikalische Mikrophonierung benötigen», erzählt Martin Schütz. Die Gelegenheitsumschreibung prägte sich ein und avancierte in der Folge zum Titel der ersten Trio-Veröffent lichung auf CD: Hardcore Chambermusic, im Oktober 1994 in Brooklyn, New York, aufgenommen, sorgte international für Furore und ist auch von heute aus gesehen noch der wohl wichtigste Meilenstein der drei Musiker. Mit dieser Veröffentlichung gelang es dem Trio, Kompositionen (vielfach aus der Feder von Hans Koch) und Improvisationen zu einem unverwechselbaren und für andere Formationen stilbildenden Idiom zusammenzuschweissen. Dieses Idiom war noch nie etwas für Puristen, speist es sich doch aus einer Vielfalt von Quellen, die weder verleugnet noch verborgen werden. Auf der CD Hardcore Chambermusic wird diese stilistische Vielfalt in der ganzen Breite ausgespielt, ohne das sie in eine postmoderne Beliebigkeit zerfallen würde. Dahinter steckt einerseits sicherlich die strukturelle Vorarbeit, die unter anderem John Zorn mit seinen Game Pieces sowie mit dem Quintett Naked City geleistet hat. Die Heftigkeit und Unmittelbarkeit der Zornschen Zitier- und Schnittwut wird von drei Schweizer Impromusikern durch ihr intensives kammermusikalisches Zusammenspiel auf eine etwas ruhigere Ebene transformiert, wo den disparaten Teilen nicht die Kanten abgefeilt, sie aber doch zu einer eigentlichen Sprache geformt werden, in der ebenfalls (fast) alles Platz hat, die aber zusätzlich auch den nötigen Raum zur Entfaltung bietet. Was die Musik und den «Sound» von Koch-Schütz-Studer unverwechselbar macht, ist demnach die Fähigkeit, die pluralistische Stilvielfalt organisch in einen stimmigen musika lischen Prozess einzuschmelzen. Immer wieder spielen sie sich passagenweise in eine Stilrichtung hinein, füllen diese mit eigenem musikalischen Atem, verlassen den ausgestal teten musikalischen Ort dann aber wieder, um nomadisch anderswo das nächste Zelt aufzubauen. Sie pflegen einen Stilpluralismus, wie ihn unter anderem Bernd Alois Zimmermann angedeutet hat, wenn er im Bezug auf sein Konzept der «Kugelgestalt der Zeit» von der Gleichzeitigkeit des historisch Ungleichzeitigen spricht.«Hardcore Chambermusic» präsentiert insofern bei jedem Konzert eine Art Quintessenz, welche die drei Musiker unterschiedlicher Provinienz aus ihrem inner- und aussermusikalischen Erfahrungen ziehen.

SÜSSE FRUCHT ODER HARTER KERN?

Offenheit ist ein Credo von Koch-Schütz-Studer, und Berühungsängste kennen sie eigentlich nicht. Ihre Formation ist denn auch so etwas wie ein Kern, um den sich ein loser Pool von frei improvierenden Musikerinnen und Musikern gruppiert, mit denen die Triomitglieder mehr oder weniger regelmässig zusammenarbeiten.

Nach der Veröffentlichung von Hardcore Chambermusic hat sich das Trio jedoch zusätzlich auf so vielen stilistischen Bühnen bewegt, das manchmal die gewonnene Eigenart fast zu verschwinden drohte. Eine erste Station war die Liaison mit der World Music: In der Zusammenarbeit mit afrikanischen und kubanischen Musikern haben sie sich starken ethnischen Traditionen ausgesetzt, die musikalischen Resultate hinterlassen jedoch gemischte Gefühle. Die doch sehr grosse Differenz der Spielweisen zwischen europäisch und aussereuropäsich geprägten Musikern wird nicht durch brochen, die Musik spielt sich entweder auf dem einen oder dem anderen musikalischen Feld ab, so dass neben einigen faszinierenden Momenten gar vieles einfach nebeneinander stehen bleibt. Eine nächste Station hiess DJ-Kultur: Obwohl wieder näher an der eigenen Tradition bleiben die beiden New Yorker DJs bezüglich differenzierter Artikulation gegenüber den ausgeprägten Instrumentalisten zu sehr im Hintertreffen. Koch-Schütz-Studer setzten sich auch mit dem Wortartisten Christian Uetz zusammen, spielten mit der Basel Sinfonietta, stehen mit dem Schauspieler Christian Wolff im Projekt Antenne Karger auf der Bühne ... In allen Kombinationen gab das Trio faszinierende Beweise seines musikalischen Potenzials, doch es blieb der zweiten Trio- Veröffentlichung Live tied (2004) vorbehalten, das Label «Hardcore Chambermusic» wieder in seiner ganzen Kraft, Geschmeidigkeit und Raffinesse aufleben zu lassen. Life tied markiert gleichzeitig einen tiefgreifenden Wandel, den Hans Koch, Martin Schütz und Fredy Studer in der Ausrichtung von «Hardcore Chambermusic» vorgenommen haben.

ZUR POETIK DES INSTANT COMPOSING

Das Trio hat nämlich inzwischen Abschied genommen von vorstrukturierten Musikteilen und sich ganz der Improvisation verschrieben.5 Das mag insbesondere klassisch orientierte Musikerinnen und Musiker irritieren, die sich an die Arbeitsteilung zwischen Komponist und Interpret gewöhnt haben. Vor dem Hintergrund einer werkzentrierten Ästhetik erscheint es eine unhintergehbare Voraussetzung, dass sich jemand Zeit nimmt, um seine musikalischen Ideen zu ordnen und zu einem Ganzen, dem musikalischen Werk, zusammenzufügen. Die Improvisation ist demgegenüber mit dem Stigma des Unreflektierten, Unfertigen und Fragmentarischen behaftet. Doch beim Anhören von hochstrukturierten Kompositionen, die wortreich angekündigt im Konzert nie zu einer entschlüsselbaren Form finden, wird sich manche Zuhörerin und mancher Zuhörer schon gefragt haben, ob das Fragmentarische immer nur ein Nachteil sein muss. Denn während Kompositionen durch musikalisch vernetzte Raffinessen faszinieren mögen, eignet insbesondere freien Improvisationen ein Hauch von musikalischem Abenteuertum und - wenn die Musiker über das notwendige Potenzial verfügen - es können sich ohne fixe Vorgaben zwingende Momente ergeben. Wie die 30-tägige Langzeitperformance in der Schlosserei Nenninger in Zürich gezeigt hat, ist es Hans Koch, Martin Schütz und Fredy Studer in all den Jahren ihrer Zusammenarbeit gelungen, ihre Improvisationserfahrungen zu einer musikalischen Praxis zu formen, die sich zwar chamäelon artig wandelt, aber trotzdem oder gerade deswegen qualitativ überzeugt. Das Spiel der drei Musiker dreht sich nicht um Solo und Begleitung, auch nicht mehr um das Wechselspiel mit vorgegebenen Strukturen irgendwelcher Art (das Trio hat auch mit graphisch notierten Werken gearbeitet), sondern darum, solche Strukturen im Rahmen des musikalischen Prozesses während eines Konzerts erst zu schaffen. Dieser Prozess wird von allen drei Musikern gleichberechtigt gestaltet, beeinflusst und gesteuert. Der Begriff «Instant Com posing» umschreibt diese Musizierhaltung treffend, indem er das Improvisieren als Komponieren aus dem Moment heraus bestimmt.

So ist der Beginn jedes Konzertes dadurch charakterisiert, dass alles offen ist, alles geschehen könnte. Wurde der Prozess durch eine meist unscheinbare Klanggeste in Gang gesetzt, besteht die Faszination der frei improvisierten Trioarbeit darin, zu verfolgen, wie sich dieser Prozess auf allen musikalischen Ebenen polyphon, vielschichtig und komplex strukturiert. Alle Triomitglieder verfügen in hohem Masse über die Fähigkeit, situativ so zu «entscheiden», dass bereits vorhandene Ideen modifiziert oder neue eingebracht werden, die kontrastierend, kontrapunktierend oder in Parallelführung den musikalischen Fluss spannungsvoll halten. Diese Spannung kann die verschiedensten Formen annehmen, pflegen Koch-Schütz-Studer doch das gesamte Spektrum zwischen abstrakter und konkreter, lauter und leiser, einfacher und komplexer Musik, pendeln unablässig zwischen Extremen und vielschichtigen Mischungen.

Jedes Konzert zeichnet sich auf diese Weise aus durch ein spezifisches Mass an expressiver Gestik oder reduziertem Minimalismus, an mehr oder weniger geraden Beats, an Geräuschhaftigkeit oder klangmalerischer Ausgestaltung. Jenseits jeder sportlichen Gipfelstürmerei geht es Koch-Schütz-Studer darum, eine verbindliche und authentische Musik zu schaffen. Authentizität meint in diesem Fall die kreative Vernetzung von Musikern auf der Bühne, auf Musik und Raumakustik reagierenden Tontechnikern und dem Publikum. Es ist auch fester Bestandteil dieser musikalischen Praxis, dass nicht jeder Moment ein Höhepunkt sein kann. Da keine übergeordnete Instanz Gewähr für eine logisch überprüfbare Entwicklung bietet, ist der jeweils aktuelle Moment die einzige Möglichkeit, sich zu orientieren. Sicher zieht der Verzicht auf vorgegebene Strukturen eine Abnahme dramaturgischer Formgebung nach sich. Trotzdem besticht diese Musik durch ihre Offenheit gegenüber dem echt-zeitig Gegenwärtigen und dessen Potenzial an überraschenden Wendungen, unmerklichen Verschiebungen und stringenten Entwicklungen. Gewiss, die Musik von Koch-Schütz-Studer lässt sich nicht feinsäuberlich in Stücke tranchieren, die die Zuhörerinnen und Zuhörer nach Hause tragen könnten. Dazu ist und bleibt diese Musik zu sehr im Fluss.

PANTA RHEI

«Wir spielen nicht improvisierte Musik, wir improvisieren Musik», sagt Fredy Studer. Bei aller Aufmerksamkeit der Instrumentalisten auf den Prozess des Instant Composing sind und bleiben Brüche ein wichtiger Bestandteil der «Hard core Chambermusic». Neben den stilistischen Kehrtwendungen trägt insbesondere die Elektronik zur Untergrabung fixer Rollen bei. Dies geschieht ohrenfällig, wenn Koch oder Schütz Drumssamples einspielen, welche den Schlagzeuger unvermittelt in seiner Rolle verdoppeln und seine Spielausrichtung völlig ändern. Die Laptops gehören bei Hans Koch und Martin Schütz fest zum Instrumentarium.

Sie dienen einerseits als Effektlieferanten zur Klangverfremdung, andererseits zum Einsatz von Samples, die zu neuen Stimmen geformt wie virtuelle Mitspieler wirken oder als Loops zusätzliche Klangflächen liefern. Die Samplesoftware erweitert das Instrumentarium des Trios, führt aber nicht dazu, dass die Musik in Richtung Elektronik driftet. Dafür sind sowohl Koch als auch Schütz zu ausgeprägt Instrumentalisten.

30 Tage intensive Konzerttätigkeit an einem Ort, 30 Tage musikalische Praxis: das Experiment hat sich gelohnt. Die musikalische Textur des Trios ist noch reicher und vielschichtiger geworden, die Spielmöglichkeiten wurden weiter differenziert, der musikalische Prozess überraschte immer wieder in unerwarteten Wendungen, kurz: «Hardcore Chamber music» hat sich als abenteuerliche Reise in die Klanggefilde von Koch-Schütz-Studer bestens empfohlen ... und bleibt eine der spannendsten Herausforderungen im Bereich der experimentellen Musik von heute.