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Foto: Roger Graf |
« Ce qui m'intéresse, dans les machines », déclare le compositeur Alex Buess, « c'est leur combinaison de systématique et d'imprévisible. » Par ces mots, il ne caractérise pas seulement sa propre production, mais exprime aussi le postulat fondamental qui devrait sous-tendre toute théorie (et critique) musicale de la mécanique. Dans les compositions de Buess, l'homme et la machine sont certes couplés pour interagir, mais sans détermination absolue, car il y a un reste indéfinissable : l'imprévisibilité, l'énervement quasi magnétique dans lequel l'homme et les instruments se heurtent, et qui peut aller jusqu'au « refus de servir » de la machine. C'est à cette source précaire que puise avec prédilection la musique parfois bruyante de Buess. |
«GESETZMÄSSIGKEIT
UND LAUNE...»
Musik aus
dem Menschen- und Maschinengeist Der Basler Komponist Alex Buess
VON ANDREAS FATTON
Was das Komponieren in Gang setzt, ist immer mehr als die Musik selbst. Texte, Modelle, Bilder. Erfahrungen, Menschen, Algorithmen. Diesem sattsam bekannten kunstwissenschaftlichen Gemeinplatz zum Trotz wird irgendwann jedes Modell zu Klang von vollkommener Eigenwertigkeit. Einmal in die Freiheit des Hörens entlassen, muss der Klang alleine bestehen und überzeugen. Ob er dann zu spröde wird, um sein generatives Modell noch tragen zu können, ob er verstellt, was ihn erzeugt, wird in seiner unmittelbaren Zeitpräsenz unbedeutend.
Es ist dieser Klang als eigenständiger Wert, dem der 1954 geborene Komponist Alex Buess in seinem Schaffen nachgeht. Geprägt von der täglichen Arbeit im eigenen Studio als Produzent für sein CD-Label Skin and speech oder für fremde CD-Label wie Virgin, zielt Buess' Interesse dabei vor allem auf den elektronisch bearbeiteten Klang. Die langjährige Erfahrung als Toningenieur für Radio DRS oder als Produzent unterschiedlichster Aufnahmeprojekte könnte zu einem Technikfetischismus verführen, den Buess jedoch in bewusster Weise ablehnt. Die Informationstechnologie spielt nie die Hauptrolle, sondern bleibt stets Mittel zum (Klang)zweck. Eine eigentliche Klangforschungsarbeit findet für den akademisch unbelasteten Buess aber auch in der Arbeit mit verschiedensten Ensembles statt. Die experimentelle Stossrichtung, die in den 80er Jahren schon das eigene Trio 16-17 prägte, trägt auch die Zusammenarbeit mit neueren Ensembles. Zu erwähnen sind vor allem der Austausch mit dem Ensemble Phoenix Basel, dem «Hausorchester» der Basler Gare du Nord, bzw. mit dessen verschiedenen Sub-Ensembles sowie das Duo Cortex mit dem Schlagzeuger Daniel Buess, eine Art von klang-alchemistischer Brutstätte, die Buess' Arbeit mit weiteren Ensembles etwa dem Schlagzeug-Projekt How-2 in nachhaltiger Erneuerungsbewegung hält. Eine enge Zusammenarbeit ging Cortex im letzten Jahr in Bukarest mit dem Hyperion-Ensemble des Rumänen Iancu Dumitrescu ein. Robuste Ohren erfordern weitere Gruppenarbeiten, die sich hier aufzählen lassen, etwa Phantom City, der Experimentalrock von GOD oder der elektrische Free Jazz von Sprawl. Frühe Förderung und Kompositionsaufträge erhielt Buess, der selbst Saxofonist ist, vom Saxofon-Quartett XASAX. Hinzu kommt eine internationale Vernetzung, wie sie sich in Jazz und Elektronik sehr viel üblicher zeigt als in «klassisch-akademischer» zeitgenössischer Musik. In Buess Schaffen erstaunt immer wieder die schiere Vielseitigkeit. Ganz abgesehen von der Möglichkeit, dass ein Komponist Tontechniker und Produzent eigener Stücke sein kann und ein Mitreflektieren ihrer Produktionsbedingungen zur Selbstverständlichkeit macht, spiegelt sich darin eine Kontext-Beweglichkeit, die noch jedem produktiven Forschungsprozess Vorbedingung war.
Bei aller Vielfalt lassen sich jedoch auch Konstanten in Buess' kompositorischer Arbeit ausmachen. Eine der gewichtigsten lässt sich an der Metapher des Maschinellen festmachen. Mind Machine (1990/91), Maxwell's Demon (1993), N.S. The Turing Machine Version (1997) oder Parallaxe A (Biomechanische Version) von 2002 bezeichnen einige Beispiele hauptsächlich der 90er Jahre, in denen sich der Metaphernrahmen bereits in der Titelgebung zeigt.
«Was mich an der Maschine interessiert», so Buess, «ist ihre Verbindung von Gesetzmässigkeit und Launenhaftigkeit.» Damit formuliert er im Grunde genommen weit mehr als eine Charakterisierung des eigenen Schaffens, denn in der Aussage liegt das Kernpostulat, von dem jede musikalische Theorie (und Kritik) des Maschinellen ausgehen müsste. In der Gesetzmässigkeit, zunächst einmal Mechanisierung eines bestimmten Prozesses, lässt sich das Zusammenwirken einzelner Teile im Dienste eines übergeordneten Ablaufs fassen. Die Maschine ist dann die mechanische Assemblage eines Algorithmus. Damit kann durchaus bereits der Aufbau der Instrumente auf der Bühne gemeint sein, die in Verbindung mit den Interpreten zur szenischen Musikmaschine werden. Mensch und Maschine sind dann zwar reaktiv aneinander gekoppelt, aber nicht restlos wechselseitig bestimmt. Es bleibt ein unbestimmbarer Rest: Die Launenhaftigkeit. In der gleichsam magnetischen Gereiztheit, mit der Mensch und Instrumentarium aufeinanderstossen, kann es zur maschinellen Dienstverweigerung kommen. Aus dem Rest, dem «Abgeschliffenen» wenn wir mit ihm die Abnutzungserscheinungen analoger Maschinen und musikalische Materialermüdung bezeichnen ergeben sich jedoch neue Oberflächenstrukturen, die in den kompositorischen Prozess wieder eingehen können. Im Stottern brüchiger Treibriemen, die nicht mehr vollkommen rund laufen können, spiegelt sich zudem die von Buess häufig eingesetzte Technik, rhythmische Muster minimalen kontinuierlichen Veränderungen zu unterziehen, die das Ohr zu «enrhythmischen» (Buess) Gleichsetzungen verleiten.
Gerade im Repetitiven eröffnet sich jedoch auch eine weitere Dimension: In der Intensität hämmernder Maschinenparks, den degenerierten Riten heutigen Lebens, wird die Freisetzung unmittelbarer musikalischer Energie fassbar. Diese energetische Massivität, die etwa Rock- und Technomusik häufig freilich um den Preis formaler Banalität auszeichnet, verbindet Buess mit der strukturellen Diversivität zeitgenössischer «E-Musik». Das maschinell Desaströse, von jeher Angstbild einer Subjekt-Auspustung, die den aufgebohrten Menschenkörper selbst zur engine erniedrigt, wird damit einem formalen Musikdenken wieder zugänglich gemacht. Warum denn, müsste man technopolitisch fragen, scheint der Maschinenklang «böse» zu sein? In der Verdichtung von ritueller Energiefreisetzung und struktureller Bündelung finden Buess' Klangwelten eine Antwort, ohne sich den Maschinenkörper liebdenken zu wollen.
Mit der Verknüpfung herkömmlicher Instrumente mit digitaler Live-Elektronik oder analogen Klangbearbeitern zum musikalischen Maschinenkörper ist die Metapher freilich nicht restlos ausgeschöpft. Werden maschinelle Abläufe selbst zur Vorlage des Komponierens, dann nicht in Hinblick auf einen emotionalen Gehalt: «Maschinelle Prozesse oder Modelle aus den Naturwissenschaften haben den Vorteil, dass sie wertneutral sind.» Wenn Musik zur Erzeugung eines eigenen Stimmungsbildes dienen soll, darf sie nicht, oder nicht nur, vorgegebene emotionale Abdrücke transportieren.
Die beiden N.S.-Stücke, als Version für einen Schlagzeuger mit Live-Elektronik (1995) und in der Turing Machine Version für zwei Schlagzeuger mit Tonband (1997), bilden Beispiele für dieses Verfahren. Die Turing-Maschine vermag jede berechenbare Funktion als mechanischen Algorithmus abzuschreiten. Ihr Speicherband, auf dem der Schreib- und Löschkopf voranschreitet, ist von prinzipiell unendlicher Länge. In der Abfolge einzelner Arbeitsschritte (N.S. steht in der Automatentheorie für next state) kommt die Maschine in endlicher Zeit zu einem Ergebnis. Die musikalischen Implikationen wären analytisch zu präzisieren; immerhin ist gerade in der Version von 1997 durch das Zuspielband die Figuration einer Zeichenumwandlung auf einem Speicherband gegeben.
Ein weiteres schönes Beispiel derartiger Modellierung stellt Maxwell's Demon (1993) dar: Der Maxwellsche Dämon, 1871 vom Physiker James Clark Maxwell in einem Gedankenexperiment ins Leben gerufen, widerspricht dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Dieser Dämon reguliert in einer gedachten Versuchsanordnung den Wärmeaustausch zweier Gasansammlungen, indem er schnelle und langsame Moleküle «sortiert», und zwar ohne Energieverlust; er bildet also ein perpetuum mobile, das aus Kälte Wärme herstellen kann. Dieser teuflische Kerl widerstand immerhin rund 60 Jahre allen Erklärungsversuchen. Auch hier scheint eine musikalische Umsetzung molekularer Austauschbewegungen und Balancierungen denkbar nahe liegend.
Spielt heutige Digitaltechnik bei der Umsetzung solcher Modelle eine grosse Rolle, relativiert Buess deren Gebrauch auch: «Ich notiere elektronische Prozesse häufig als genaue flow-charts, die sich mit unterschiedlicher Hard- oder Software technisch umsetzen lassen.» Die unverwechselbare Präsenz seiner energiegeladenen Kompositionen stellt Buess also nie auf die pure Rechenkraft des Computers ab. Die szenischen Möglichkeiten von Fingerbewegungen am MSP-Regler sind beschränkt, ein Bühnengeschehen lässt sich nicht über die ziffernschielende Bedienung eines «Kontrollzentrums» steuern. «Ich bin kein Laptop-Ästhet», meint Buess. Computer gehören dann auf die Bühne, wenn sie von den Musikern als Instrumente selbst gespielt oder gesteuert werden können. Die Metapher des Maschinellen frisst nicht alles auf. Und selbst das Digitale ordnet sich stets dem analogen Mensch-Maschinen-Traum der Cyborg-Technologie unter.
Betont Buess die Eigenständigkeit des Klanglichen, erscheint es folgerichtig, dass er bis zu XSynDromeI (2002) für Sopran, Perkussion, Live-Elektronik und Band auf Textvertonungen in seinem Schaffen verzichtete: «Ich habe grosse Achtung vor literarischen Texten». Musik und Text können nebeneinander bestehen, müssen aber nicht ineinander übergehen. Der postmoderne Medienmix, die mit dem Zitatstreuer womöglich hastig übersalzene Mischung, erweckt künstlerisches Misstrauen. Was sich zusammenfügen soll, ist zunächst als Getrenntes zu reflektieren. In XSynDromeI findet erstmals eine Auseinandersetzung mit der menschlichen Stimme statt. Ist die Sopranstimme zu grossen Teilen von Vokallauten geprägt, wird hier die menschliche Stimme doch auch zu artikulierter Sprache, indem sie in höchst selbstreferentieller Manier Versatzstücke aus William S. Burroughs medialem Guerilla-Essay The Electronic Revolution zitiert.
Neben dieser Hinwendung zur Sprache ist es nicht zuletzt das Medium des Films, auf das sich Komponieren beziehen kann: 1997 entstand ein fiktiver Soundtrack zu Francis Ford Coppolas Film The Conversation (The Bug: Tapping the Conversation), eine Zusammenarbeit mit Kevin Martin, Dave Cochrane, André Gurov und anderen. Für Axis/Core, ein Stück, das im Auftrag des Lucerne Festival für grosses Ensemble, Live-Elektronik und zwei Solisten entsteht, greift Buess wiederum auf einen Film zurück, nämlich auf Alain Resnais' L'année dernière à Marienbad. Weitere Zukunftsprojekte werden Cortex, Mitglieder des Ensemble Phoenix und den japanischen Klangtüftler Merzbow zusammenbringen.
Alex Buess Kurzbiographie Musiker, Saxofonist,
Komponist, Produzent und Audio-Engineer, geboren 1954 in Basel. |
Links:
http://www.paulschutze.com/discography/collshiv.html
http://www.splatterpromotion.de/splatterpromotion/1617/
http://www.ensemble-phoenix.ch/