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#100, Dezember 07
VON MENSCHEN UND DISSONANZEN Die theoretische Definition und der ästhetische Wert der Dissonanz waren im Verlauf der Musikgeschichte mehreren bedeutsamen Veränderungen unterworfen. Zwischen Boethius und Boulez wurden die Grenzlinien zwischen Konsonanz und Dissonanz verschoben, alte hierarchische Ordnungen wurden durch neue ersetzt oder gänzlich aufgelöst. Die folgende Auswahl erfasst keineswegs alle wichtigen historischen Momente, sie ist, genauso wie die Zuspitzungen und die unterschiedlichen Grade der Ausführlichkeit, geprägt von den persönlichen Vorlieben des Autors und vom Wunsch, einzelne Aspekte der Geschichte (u.a. Seconda Prattica, Rameau, Riemann) besonders zu beleuchten, weil sie mir als Hintergrund für die aktuelle Diskussion besonders interessant erscheinen. |
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ZEHN SCHÖNE DISSONANZEN Die Hochgradigkeit und auch die Gewagtheit von Dissonanzen sagen noch nichts über ihre Qualität aus; es waren durchaus mediokre Komponisten, die ihre musikalischen Schlachtengemälde im 18. Jahrhundert mit Blutlachen in Form von veritablen Clustern anreicherten. Gegenüber solchen «vollkommenen» Dissonanzen sind jene, in denen auseinanderstrebende Tendenzen wirken, interessanter, und manchmal genügt ein einziger altertierter Ton, um einem Akkord den Reiz des Besonderen zu geben. Bei Dissonanzen entscheidet der Kontext darüber, ob sie gelungen sind oder nicht. Christoph Keller diskutiert 10 Beispiele, bei denen das der Fall zu sein scheint. |
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TON, DISSONANZ, «PALETTENSCHMUTZ» Das Kleinste und das Grösste, Einzelton und Zwölftonakkord sind per se farblose «konsonante» Einheiten, und als Extreme in sich ruhend, tendenziell statisch. Anhand von Kandinskys Impression 3 «Konzert» (1911) und Schönbergs Die glückliche Hand (1910-13) kann gezeigt werden, dass es die Spannungsgrade zwischen Dissonanz und Konsonanz sind, die zu einer dynamischen Formbildung führen. |
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« HÖRSPIELSTUDIO » EN MINIATURE Opposer la consonance à la dissonance, est-ce le bon moyen pour analyser les œuvres de Mauricio Kagel ? Jean-François Trubert examine les influences réciproques de la musique et de la scène dans les pièces multidimensionnelles et hétérogènes que Kagel composa avant 1973. |
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IMPROVISATION VERSUS KOMPOSITION? Wer es heute ernst meint in der Musik, komponiert nach alter Façon. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der man in der postrevolutionären ära seit den siebziger Jahren den Begriff der Musik wieder ans traditionelle Bild von Komponist und in konventioneller Notation fixierte Werke band, ist dahin. Dieser Verlust kann fruchtbar wirken auf die komponierte Musik, die längst an der eigenen Redundanz leidet. Die Einsicht in das Nichteinholenkönnen der selbstentfesselten Modernisierungsdynamik, in die Notwendigkeit, das Sensorium auf musikalische Entwicklungen abseits der Pontifikallinien der komponierten Neuen Musik einzustellen und neu zu schärfen, wäre ein denkbar günstiges Palliativum. So können musikalische Handlungen, die als «Improvisieren» bezeichnet werden, eine neue «kritische» Aktualität gewinnen gegenüber der begriffsgeschichtlich starren Dualität von «Komposition» und «Improvisation». |
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MIKRODISSONANZEN Auch im Bereich des Jazz ist es schwierig, mittels Analyse zum «emotionalen Gehalt» eines Werks vorzudringen. Verfeinerte spektrografische Methoden lassen Interpretationen zu, die anhand der Transkription nach Gehör alleine nicht möglich sind und die durchaus verlässliche Aussagen zur «Emotionalität» von Musik zulassen.
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FÜR DAS NEUE AUF DER WELT Urs Peter Schneider, geboren 1939 in Bern, gehört zu den markantesten und eigenwilligsten Persönlichkeiten des Schweizer Musiklebens. Ein vielseitiger, auch widersprüchlicher Musiker, der sich gelegentlich genüsslich in die Nesseln setzt. Kjell Keller hat sich zu einem längeren Gespräch mit ihm getroffen. |
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TEMOIN ET ACTEUR DE LA VIE MUSICALE SUISSE |
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prix dissonance Cet article tente de porter un éclairage nouveau sur les problèmes posés par le genre historiquement très complexe et varié que constitue l’opéra. Plutôt que d’alourdir d’une pierre supplémentaire les commentaires nombreux existant en ce domaine, Olivier Class imagine un débat radiophonique fictif réunissant deux musicologues, messieurs A (attaché à la tradition) et B (tourné vers le progrès). Le poids est mis sur les moyens techniques modernes dont peut disposer le théâtre lyrique d’aujourd’hui. |
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prix dissonance In Mathias Spahlingers adieu m´amour. hommage a guillaume dufay für Violine und Violoncello (1982/83) geht es weder um Aneignung, noch um Rückkehr, sondern um das Herausheben einer unauflösbaren Entfernung, um die Darstellung einer unaufhebbaren Distanz. Spahlinger thematisiert dieses Geschichtsbild und seine Abkehr vom Historismus, aber bleibt nicht bei der blossen Konstatierung stehen. Er hält einen Fortschrittsglauben nach wie vor für unverzichtbar, weil ihm Denken ohne Sinnunterstellung nicht möglich scheint. Diese Sinnunterstellung müsse sich als reflektierte erweisen, als ein «Mythos, der sich als Mythos weiss». |
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Statements von u.a. Thomas Gartmann, Susanne Kübler, Gérard Zinsstag |
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Berichte / Comptes rendus – Lucerne Festival 2007 – Strasbourg : 25e Festival Musica – forum :: wallis <<>> forum :: valais – «Josef K. – il processo continua» von Francesco Hoch (Lugano) – Donaueschinger Musiktage 2007 Édition dissonance Diskussion Hommage à Jean Balissat STV-Rubrik / Rubrique ASM Nachrichten CD/DVD Bücher / Livres |
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