Blühende Musikszene oder institutioneller Notstand?
Kreativität als Randerscheinung kleinstädtischer Urbanität am Beispiel der Berner Jazzszene
Daniel Schläppi
Die Kulturwissenschaften debattieren ausführlich darüber, ob oder wie sich urbane Räume und kreative Zellen gegenseitig beeinflussen. Einschlägige Publikationen stilisieren die Stadt zum «Ort» künstlerischer Kreation schlechthin. Dies ist grundsätzlich sicher nicht abwegig. Allerdings entsteht aber auch viel wertvolle Kunst in der Inspiration der Abgeschiedenheit. Zu einer differenzierteren Sicht auf die unterstellte Interdependenz Stadt-Kunst lohnt es sich zu fragen, welche stadträumlichen, sozialen, ökonomischen und politischen Faktoren in welcher Weise auf die Evolution des Kunstbetriebs und das Handeln der involvierten Akteure (und natürlich vice versa) wirken: Was in diesem Artikel am Beispiel des kleinstädtischen Jazz-Soziotops Bern geschieht. Ergebnis der Analyse ist der Befund einer postmodernen, proletarisch angehauchten Schattenkultur mit starkem kreativen Potenzial, die sich gegen potente Marktakteure kaum durchzusetzen vermag.