Dissonance

Schaustücke

«PIANO-PAM!» Internationales Festival für neue Klaviermusik im Qbus Uster
(19.–21. November 2010)

Christoph Haffter

 

Der Schlagzeuger Lucas Niggli macht seit sechs Jahren «Platz für Andere Musik» (PAM!) in Uster. Nun erweitert ein Festival die Konzertreihe: Vom 19. bis 21. November bot der Qbus Raum für das Schaustück der Kunstmusik: den Konzertflügel. Ein intimer Rahmen, um diesem seltsamen Instrument die Ehre zu erweisen – dem längst selbstverständlich gewordenen Unding, schwarz und klobig, seltsam geschwungen und spiegelglatt, unter Hochspannung den gusseisernen Rachen zum Publikum aufreissend. Ein klangspeiendes Monstrum, wie es kein Mensch sich ausdenken könnte. Und monströs wird es auch bespielt: Dominik Blums Rezital «Klassiker», gezimmert aus Werken eines Jahrhunderts Klaviermusik, ist ein virtuoses Spektakel. Ohne Unterbruch verflicht er Ouvertüre und Kadenz aus Michael Wertmüllers skandalumwobener Zeitkugel (2010) mit Alexander Skrjabins Klavierwerken vers la flamme (1915), Sonate no. 7 (1911) und no. 10 (1914), Hermann Meiers zweitem Klavierstück 1956 und Arnold Schönbergs Fünf Stücken op. 23 (1923). Was Blum liefert, ist keine blosse Interpretation mehr; vielmehr eine Machtdemonstration des Interpreten. Die Macht Blums über die technischen Schwierigkeiten etwa des virtuosen Schaulaufens bei Wertmüller, die Macht des Instruments über die Wahrnehmung, wenn im Taumel der Kaskaden die Töne zu Klangflüssen verschmelzen, aber vor allem die Macht des Ausdrucks bannt den Hörer: Kein Ton ist bedeutungslos. Selbst Meiers Stück, das ganz der punktuellen Ästhetik des Serialismus verschrieben ist und wegen der Dissoziation aller Parameter zur Beliebigkeit tendieren könnte, dreht Blum zu einem Psychogramm: Schizophren, manisch droht das sensible Geflecht musikalischer Relationen jederzeit zu zerreissen. Es ist die ungebrochene Tradition der romantischen Genieästhetik, die den Kompositionen innewohnt, allen voran Wertmüllers Zeitkugel, und die Blums Umsetzung meisterhaft auf die Spitze treibt. Er begehrt auf gegen das Unerreichbare, verliert sich im Rausch der Sinne, fällt in lähmende Tiefen der Introspektion und steigt als kühler Zerleger polyphoner Strukturen auf, nur um sich wieder in seelische Abgründe zu stürzen. Ein bedeutungsschweres Auf und Ab, das den einen in die Spirale der Tiefe zieht, den anderen irgendwann im Kreis drehen lässt.

 

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Lesen Sie den vollständigen Artikel in DISSONANCE 113 (März 2011).

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